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Eine reiche sinnenfrohe Bildwelt



Es wirkt beinahe verwirrend, wenn man bedenkt, dass Peter Paul Rubens, der wie kein anderer in den schönen, schweren, doch geschmeidigen Menschen seiner prachtvollen Gemälde Lebenslust und Sinnenfreude zum Ausdruck bringt, zu der Zeit lebte, als in Europa der dreißigjährige Krieg die Bevölkerung vieler Länder auf grausamste Weise dezimierte. Wie geht es zusammen, dass Belgiens größter Maler in seinen Volks- und Liebesfesten mitreißende Sinneslust gestaltete, dass er Bilder schuf, die glanzvolle Hymnen an die Schönheit der Welt sind, und Porträts hochgestellter oder tatsächlich bedeutender Männer und schöner Frauen malte, aus denen moralische Makellosigkeit und geistige Größe zu uns sprechen, während die Inquisition unzählige Ketzerverbrennungen, Hexenprozesse und Folterungen aller Grade durchführte? War dieser Mann denn blind dem gegenüber, was um ihn geschah?

Den Traditionen des Humanismus verpflichtet.Er war es genau so wenig (und genau so viel) wie seine Zeitgenossen Rembrandt (1606 — 1669) in Holland, Velazquez (1599 bis 1660) in Spanien und Poussin (1594-1665) in Frankreich. Die vier Meister waren zumindest in großen Zügen über das unterrichtet, was in Europa vor sich ging. Ihre national orientierte ideologische und künstlerische Position war zwar nicht unabhängig von den Interessen und Wünschen der herrschenden Feudalklasse, trotz allem blieb sie aber den humanistischen Traditionen der Renaissance verpflichtet. Sie liebten ihr Volk, und sie haßten den Krieg. „Ich bin ein friedliebender Mann, und ich glaube, es sollte der größte Wunsch jedes aufrichtigen Mannes sein, im Frieden zu leben. Ich bedaure sehr, dass sämtliche Könige und Fürsten diese Ansicht nicht teilen." Mit diesen Worten bekannte Rubens, dass ihn in der Hauptfrage des Lebens — Frieden oder Krieg — alles von den Machthabern seiner Zeit trennte.

Peter Paul Rubens wurde als Sohn eines Antwerpener Rechtsgelehrten in Siegen geboren. Sein Vater war 1568 nach Deutschland geflohen, da er sich als Anhänger des Protestantismus in der vom katholischen spanischen König beherrschten Stadt Antwerpen nicht sicher fühlen konnte. Nach dem Tode des Vaters ging die Mutter, die sich mit dem Katholizismus ausgesöhnt hatte, mit ihren Kindern nach Antwerpen zurück. Peter Paul war damals zehn Jahre alt. Die einst prächtige Handelsstadt hatten die demoralisierten spanischen Truppen 1576 zerstört. 1400 Häuser waren niedergebrannt, mehr als 7000 Menschen ermordet worden. Nur langsam erholte sich Antwerpen, aber gerade das Erlebnis, dass sich neues Leben zu regen begann, bestimmte die ersten Eindrücke des Jungen von dieser Stadt. Als kurz vor der Jahrhundertwende den spanischen Niederlanden (so wurde damals Belgien im Gegensatz zu Holland genannt) politische Unabhängigkeit versprochen wurde und der neue Statthalter, der österreichische Erzherzog Albrecht, manches tat, um die Bevölkerung die düstere Vergangenheit vergessen zu lassen, gab es für Rubens, der inzwischen Meister der Malergilde geworden war, keinen Grund, die ihm angebotene Stelle eines Hofmalers des Herzogs abzulehnen. Er konnte sich in seinem neuen Amt frei entfalten und erhielt sogar die Erlaubnis zu einem achtjährigen Aufenthalt in Italien.

Das Studium der italienischen Kunst war für den jungen Meister von entscheidender Bedeutung. In Venedig begeisterten ihn die Werke Tizians, aber auch die Wand- und Deckenbilder Michelangelos in Rom übten Einfluß auf ihn aus. Als er 1608 in die Heimat zurückkehrte, hatte er seinen Stil gefunden. Die Farbenglut Tizians und die monumentale Formgebung Michelangelos verbinden sich in der Kunst Peter Paul Rubens mit den Eigentümlichkeiten der Flämischen Malerei.

1609 heiratete Rubens die achtzehnjährige Isabella Brant, Tochter eines wohlhabenden Antwerpener Gelehrten. Auf dem Hochzeitsbild, das er im gleichen Jahr malte, sitzt das Paar in einer Geißblattlaube. Sie hat ihre Hand auf die seine gelegt. Aufmerksam und freundlich sehen beide den Betrachter an. Die ungezwungene Haltung widerspricht vollkommen der höfischen Porträtmalerei dieser Zeit, in der die Dargestellten steif und unnahbar vor dem Betrachter posieren.

Widersprüche seiner Zeit in realistischen Bildern. Das Ansehen des Meisters wuchs rasch. Der katholische Klerus, der mit allen visuellen Mitteln die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich zu lenken trachtete und daher die Kirchen mit Bildern, Plastiken und üppigem Zierrat überlud, zählte in den folgenden Jahren zu Rubens' bedeutendsten Auftraggebern. Obwohl die wirbelnde Dramatik seiner Kompositionen, die exaltierten Seelenzustände der Heiligen, die hin und wieder in theatralische Gefühlsseligkeit ausartet, den Wünschen der Geistlichkeit durchaus entsprach, klafft in den Bildern ein Widerspruch. Die kirchliche Auffassung, wonach das Leben eine fromme Pilgerfahrt mit dem Ziel der Erlösung von gerade diesem Leben zu sein habe, steht im Gegensatz zu dem kraftvollen Realismus der Gestalten auf den Gemälden. Die athletischen Männer und Renaissance näher als den entsagungsbereiten heiligen und Märtyrern, die sie eigentlich verkörpern sollen. Christus gleicht Prometheus; die büßende Magdalena wird zur Schwester der Liebesgöttin Venus. Juwellengleich leuchten die Farben. In subtilsten Abstufungen gleichtet das Licht über die muskulösen Körper der Männer und die weichen Rundungen der schönen Frauen. Eine überschwengliche, gerade hochfahrende Lebenszugewandtheit spricht aus den Haltungen und Gebärden dieser Gestalten, die so tun, als wären Reue und Buße, Leidensbereitschaft und Weltverzicht ihr Anliegen.

Spanische und deutsche Fürsten, italienische Aristokraten und Bankiers, die Könige Frankreichs, Englands und Spaniens verlangten Bilder von dem Meister. Bis zu zwei Jahren mussten sie auf die Erfüllung ihrer Wünsche warten, obwohl Rubens längst eine große Werkstatt mit Meistern, Gesellen und Schülern eingerichtet hatte. Hier arbeitete zum Beispiel Jan Brueghel, der Sohn des berühmten Bauernmalers Pieter Brueghel, als Spezialist für Blumen, Früchte, Stilleben und Landschaften. Ein anderer Meister war der Tiermaler Frans Snyders, und schließlich gehörte zu den Mitarbeitern der geniale Anthonis van Dyck. Neben der Werkstatt hatte Rubens ein Atelier für Kupferstecher eingerichtet, in dem unter Leitung von Lucas Vorstermann die Gemälde des Meisters als Grafiken reproduziert wurden, um dann nach Frankreich, Spanien, England, Deutschland und Italien verkauft zu werden.

Kraftvolle Gestalten aus dem Leben des Volkes. 1626 starb seine Frau. „Mir fällt es sehr schwer, den Schmerz über diesen Verlust von der Erinnerung an einen Menschen zu bannen, den ich lieben und werthalten muss, solange ich lebe“, schrieb er an einen Freund. Doch sein weitläufiges Hauswesen verlangte nach einer Hausherrin, und so heiratet er vier Jahre später die sechzehnjährige Helene Fourment. Wir kennen sie aus dem Bild der Dresdner Galerie „Bathseba am Springbrunnen“. In dem Gemälde des fast sechzigjährigen Meisters ist der malerische Stil zu höchster Reife erblüht. Die farbige Schönheit des Körpers und der materiellen Dinge ist zum Bild der Glücksmöglichkeit des Menschen und des Reichtums der Natur geformt. In milden Kontrasten von Hell und Dunkel fließt das Licht über die blutdurchpulste Haut der jungen Frau, um sich im Hintergrund in diffuser Helligkeit zu verlieren.

Zu den Spätwerken Rubens' gehört die zwischen 1636-1638 gemalte Bauernkirmes. Es ist eine der wenigen Darstellungen aus dem Volksleben, die Rubens geschaffen hat. Vertreter des einfachen Volkes, wie wir sie in der Dresdner „Wildschweinjagd“ finden, gibt es allerdings in vielen Bildern. Sie sind von Rubens stets als kraftvolle und imposante Gestalten geformt.

Am. 30. Mai 1640 starb in Antwerpen Peter Paul Rubens, dessen lebensbejahende, kraftvolle Malerei als ein glanzvoller Höhepunkt der Kunst, als ein unverlierbares Zeugnis humanistischer Menschheitskultur zu uns herüberleuchtet.

 

 

Das Inkarnat und das Leben

Rubens hat Glück mit Martin Warnke: Der entdeckt noch einmal “Leben und Werk”

Von Petra Kipphoff

 

Der Kunsthistoriker Mertin Warnke, der im November des vergangenen Jahres den »Gerda Henkel Preis für Exzellenz in Geisteswissenschaften« für sein Lebenswerkerhielt,istein Wissenschaftler und ein Protestantdazu. Schon manch einer seiner Kollegen und F'reunde hat sich da die wissenschaftsferne Frage gestellt, wieso Warnke, dessen bedeutendste Leistung wohl die Etablierung der politischen Ikonografie in der Kunst- und Kulturgeschichte ist, seine Erweckung zum Kunsthistoriker mit Peter Paul Rubens erlebt und diesenKünstler auch über die Jahre hinweg immer wieder in Publikationen kommentiert hat. Die Erklärungist sehr einfach und nützt doch nichts. Dem ju ngen Mann, der seine Pfarrersfamilien-Kindheitin einem Dorf in Brasilien verbracht hatte und der erstzum Abitur und Studium nach Deutschland kam, waren bei seinem ersten Besuch in der Münchner Alten Pinakothek in den Rubens-Sälen die Augen übergegangen. So viel fluktuierendes Fleisch war nie. War esZufall oder Absicht, dass er dann bei Hans Kaufmann studierte, der über Rubens las? Dass es ihm alsWissenschaftler aber nicht nur um das Inkarnat, wie die Farbe des Fleisches so schön in der Terminologie der Kunst heißt, ging, belegte das Thema seiner Dissertation: Kommentare zu Rubens, der Gegenstand der Betrachtung waren die Briefe.

Hatte Warnke Glückmit Rubens oder Rubens Glückmit Warnke? Der große und ein Leben lang begehrte flämische Maler, dessen Erfolg die französische Akademie, die im Namen der Grande Nation die Kunst und Kultur des Abendlandes juriert, zu einer Spaltung der Malerei in Rubenisten (Meister der Farbe) und Poussinisten (Künstler der Linie) herausforderte, bedurfte natürlich nicht der Entdeckung. Aber der Blick auf ihn bedurfte der Erweiterung und neuer Akzente. Denn Rubens war nicht das mit sich selbst beschäftigte Genie, sondern ein Mann von Welt in seiner Zeit: Er war humanistisch gebildet und viel gereist, wusste eine große Werkstatt zu organisieren, sich am Hof von Mantua ebenso wie im Rathaus von Antwerpen zu empfehlen und jahrelang als Diplomat tätig zu sein, der zwischen den im Namen des Herrn verfeindeten nördlichen und südlichen Niederlanden sowie zwischen England und Spanien erfolgreich vermittelte. Noch im Jahr 1636, vier Jahre vor seinem Tod, wurde er zum Hofmaler des Kardinal-Infanten Ferdinand ernannt, es folgte der Auftrag für die Ausschmückung der Torre de la Parada in Madrid, wo 1638 dann 112 Bilder aus der Antwerpener Werkstatt eintrafen.

Rubens Leben und Werk heißt die Publikation, die Warnke jetzt vorlegt und die auf einem 1977 erschienenen DuMont Kunsttaschenbuch basiert, das zum 400. Geburtstag des Künstlers erschienen ist. In der neuen Fassung sind aktuelle Forschungsergebnisse berücksichtigt und einzelne Aspekte hinzugekommen, so die Ausfuhrungen über das Bacchantische bei Rubens, eine aparte Entdeckung der späteren Jahre. Leben und Werk, das meint bei Warnke keine Parallelführung von Biografie und Kunst mit direkt sichtbaren Folgen. Warnke erkennt in Rubens' Werken eher die »Gegenentwürfe zum tatsächlichen Leben« und folgert daraus: »DieMalerei tritt dem Leben mit dem Anspruch gegenüber, ein eigentümliches Medium der Erkenntnis und der Erfahrung zu sein.“ Als „Medium der Erkenntnis« benutzte Rubens, der Maler und der Diplomat, eine allegorische Bildsprache, in der die Konflikte seiner Zeit in die Gefilde der Mythologie und der Antike transponiert und entrückt wurden. Durch die Aufrufung von Göttern und Genien, antiken Helden und Schurken, durch Allegorien und Metaphern konnte man Politik machen, ohne die Dinge und Personen, beim Namen zu nennen. Ein elaborierter Mummenschanz, eine Kunst der verhüllten Botschaften, die neben Rubens auch andere Künstler seiner Zeit zu inszenieren verstanden. Aber keiner tat es mit diesem Überschwang, in dieser Fülle und Souveränität. Und keiner in diesem Format, keiner mit dieser Lust am Inkarnat.

Woran liegt es,dass Rubens heute einem größeren Publikum als der Maler der großen Schinken gilt (womit eher die Dimension der Bilder als die karnale Konsistenz der Schenkel, Brüste und Gesäße gemeint ist) und die Besucher der Alten Pinakothek sich eher vor Rubens' Doppelporträt mit seiner jungen Frau Isabella Brant versammeln als vor seinem Raub der Töchter des Leukippos (den Warnke mit guten Gründen in eine Rettung umdeutet)? Natürlich weil das Doppelporträt des jungen, stolzbürgerlichen Paares doch eine gewisse Auskunft gibt über die Person und Rolle des Künstlers, auch wenn diese komplexer ist, als es der uninformierte Betrachter erkennen kann. Aber bei den geretteten oder geraubten Töchtern des Leukippos,dem trunkenen Silen oder den drei Grazien begründet sich die amüsierte Distanz (über keinen großen Maler gibt es so viele Karikaturen wie über Rubens, die Warnke übrigens gesammelt hat) ja nicht durch das in der Tat vorhandene Manko einerhumanistischen Bildung, die Rubens und seinemPublikum selbstverständlich zur Verfügung stand.Es ist eher so, dass die Sinnlichkeit vermisst wird. diedurch den Überfluss der nackten Leiber zwar insinuiert, tatsächlich aber vernichtet wird. Von der Erotiknicht zu reden. Rubens' Drei Grazien könnteman gut in einem Priesterseminar aufhängen, zum Abgewöhnen, denn welcher junge Mann hat schon Lust auf Cellulitis? In einem etwas einseitigen Sinne erfülltdieses Bild natürlich auch den »Wirklichkeitsanspruch«, den Warnke postuliert.

Vielleicht verdankt es sich der christlichen Thematik, dass die Altarbilder, die Kreuzigungsszenen und andere biblische Themen dem heutigen Betrachter weniger entfernt erscheinen als die Turbulenzen beim olympischen Personal. Die biblischen Szenen gewinnen ihre Dramatik nicht durch theatralische Gesten überdimensionierter Leiber, sondern durch eine Verbindung von Körpersprache, Lichtführung und Kolorit, die das Heils- und Unheilsgeschehen in einer Weise Wirklichkeit werden lassen, die Katholiken und Protestanten in einer gemeinsamen Erkenntnis vereinen kann. Vielleicht hat der Diplomat hier sein größtes Kunstwerk geschaffen. Was auch bedeuten würde, dass die Freunde und Kollegen die Wahlverwandtschaft von Künstler und Kunsthistoriker beim Namen nennen könnten.

 

 

HOLLÄNDISCHE BILDENDE KUNST

Holland hat im 17. Jahrhundert zahlreiche bedeutende. Maler hervorgebracht. Sie spezialisierten sich meist auf ein bestimmtes Gebiet wie Porträtmaierei, volkstümliche Genrebilder, oder Landschaftsmalerei. Der größte der holländischen Meister, Rembrandt, beherrscht alle drei Gattungen als Maler und Grafiker gleich meisterhaft. Er geht eigene Wege in Themenwahl, Anordnung, Farbgebung und Gestaltung. Dabei ist ihm das äußere Geschehen gar nicht so wesentlich, noch viel weniger der Ort der Handlung. Ihn interessiert im Grunde nur eines - der Mensch, genauer gesagt, die Widerspiegelung der menschlichen Seele im Mienenspiel, in Haltung und Gebärde.

Dieser menschliche Gehalt seiner Kunst und die vollendete Beherrschung der künstlerischen und handwerklichen Möglichkeiten heben Rembrandt über die anderen Maler seiner Zeit heraus. In ihm und durch ihn erlangte die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts Weltbedeutung.

 

Harmensz van Rijn Rembrandt

 

Rembrandt Harmensz van Rijn wurde am 15. Juli 1606 in der Stadt Leyden als fünftes von sechs Kindern geboren. Er war der Sohn eines Müllers, besuchte die Lateinschule der Vaterstadt und war für kurze Zeit an der Universität eingeschrieben. Aber er verließ die Universität; seine Neigungen und Begabungen führten ihn in die Werkstätten der holländischen Maler. Bald wuchs Rembrandt in Themenwahl, Komposition und Farbgebung über seine Lehrer hinaus.

1625 eröffnete er eine selbständige Werkstatt in Leyden. Seit 1631 stand der junge Maler mit dem Amsterdamer Kunsthändler Hendrick van Uylenburgh in Verbindung, der ihm offenbar Porträtaufträge vermittelte, die schließlich so zahlreich wurden, dass Rembrandt sich im folgenden Jahr zu einer Übersiedlung in diese Stadt entschloß. Amsterdam, die internationale Handelsstadt, in der Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt zusammenströmten, bot einem Künstler mannigfaltige Anregungen und Studienmöglichkeiten. Fremdländische Menschen, exotische Tiere, prunkvolle Gewänder und allerlei Seltsamkeiten begegnen sich immer wieder in Rembrandts Gemälden, Radierungen und Zeichnungen.

1634 heiratete er Saskia van Uylenburgh, die Nichte seines Gönners. Die Heirat mit ihr brachte Rembrandt den Wohlstand, der ihm erlaubte, in seinem Hause Kunstgegenstände und Raritäten, Gemälde und Grafiken der berühmtesten Meister zusammenzutragen.

Die Zeit häuslichen Glücks mit Saskia gibt Rembrandts Schaffen einen starken Auftrieb und beeinflußt auch die Bildthemen, die er wählt. Zugleich festigt sich in dieser Zeit sein eigener künstlerischer Stil. Sein Ruhm wächst ständig. Zahlreiche Schüler, darunter selbständige Meister, studieren bei ihm. Die Schüler übernahmen wohl diese oder jene Besonderheit, keiner aber wurde im eigentlichen Sinne sein Nachfolger.

Aber in dieser Zeit trafen Rembrandt furchtbare private Schicksalsschläge. Drei Kinder mußte der Maler im Laufe weniger Jahre begraben. 1642 starb Saskia. Rembrandt sah sich nach Saskias Tod in finanziellen Schwierigkeiten. Das Haus wurde verkauft, die wertvollen Sammlungen weit unter ihrem Wert versteigert.

Rembrandts Schaffenskraft blieb trotz allem ungebrochen. Er lebte jetzt in einem bescheidenen Haus zusammen mit Hendrickje Stoffels, einem schlichten Mädchen aus dem Volke. Sie ertrug mit ihm den wirtschaftlichen Bankrott des Jahres 1656 und rettete ihn vor den Gläubigern durch den Handel mit Kunstgegenständen, den sie mit Titus, Rembrandts Sohn aus erster Ehe, betrieb. Aber sie und auch Titus starben, und Rembrandt blieb mit Cornelia, seiner Tochter aus der Ehe mit Hendrickje, völlig vereinsamt und im materiellen Not zurück.

Am 4. Oktober 1669 starb Rembrandt, am 8. Oktober wurde er beigesetzt, ganz ohne Anteilnahme der Zeitgenossen. Seine Hinterlassenschaft war ärmlich; sie bestand aus einigen Bildern und nur wenig irdischem Gut, aus Kleidern von Wolle und Leinen und seinem Malgerät.

Im Verlauf dieses an Höhen und Tiefen reichen Lebens entstand Rembrandts vielseitiges Werk: über 600 Gemälde, etwa 350 Radierungen und mehr als tausend Zeichnungen. Dieses Werk zeugt nicht nur von ungeheurem Fleiß und Schaffenskraft, es zeugt vor allem von der tiefen Menschlichkeit seines Schöpfers. Diese Menschlichkeit beherrscht alle Schaffensperioden gleichermaßen, unabhängig von der Entwicklung der künstlerischen Formensprache und Technik.

Rembrandts Schaffen läßt sich in drei große Perioden einteilen. Vom Ausgang der zwanziger bis zum Beginn der vierziger Jahre währt sein Frühstil. In die vierziger und frühen fünfziger Jahre fällt seine Reifezeit. Mitte der fünfziger Jahre setzt dann sein Spätstil ein.

Unter dem Einfluß seiner Lehrer malte Rembrandt während seiner ersten Meisterjahre in Leyden Bilder religiösen Inhalts, Szenen aus der antiken Sage. In dieser Zeit entstanden auch viele Selbstbildnisse. An seinem eigenen Antlitz studierte-Rembrandt die menschliche Physiognomie und alle Möglichkeiten des mimischen Ausdrucks. Darüber hinaus gewann seine Kunst an warmer Farbigkeit und an Fähigkeit, das Räumliche lebendig darzustellen.

Besonders bekannt ist das Selbstbildnis mit Saskia, schon in Amsterdam, 1634 entstanden. (Das Bild befindet sich in der Dresdener Gemäldegalerie.) Es ist eines der sehr seltenen „lächelnden" Selbstbildnisse Rembrandts. Saskia sitzt lustig und keck auf seinen Knien, während er fröhlich das Glas zum Betrachter hebt. Auf solche Weise wird der Betrachter in das Geschehen einbezogen, ist gewissermaßen die dritte Person in der kleinen Szene und unmittelbar an der Handlung beteiligt.

Rembrandt pflegte auch das in Holland zu dieser Zeit beliebte Gruppenbildnis. 1632 malte er die „Anatomie des Dr. Tulp". Er zeigt den berühmten Arzt als Dozenten bei der Demonstration an einer Leiche. Durch die gespannte Aufmerksamkeit der Zuhörer wird aus einer Reihe von Porträts einegeschlossene Gruppe, die in den Vorgang einbezogen ist. Das Bild wirkt fast dramatisch. Einen Abschluß fand diese Periode mit der Ausführung der sogenannten „Nachtwache" von 1642. Es ist wohl das am meisten diskutierte und in der Literatur behandelte Gemälde Rembrandts. Ob es sich hier um einen kriegerischen Auszug oder nur um einen Aufzug zur Parade handelt, ist gleichgültig. Hier ist jeder der Dargestellten in seiner Individualität erfaßt und trotzdem in das dramatische Geschehen des Ganzen in aktiver Teilnahme einbezogen.

Rembrandts Figuren der dreißiger Jahre sind überaus lebendig. Der Blick des Dargestellten ist auf den Beschauer gerichtet, oftmals verrät er das Mienenspiel, ein leises Lächeln, ein aufmerksamer, ja fragender Ausdruck. Die für Rembrandts Schaffen charakteristische Helldunkel Malerei zeigt sich in dieser Zeit besonders deutlich. Zuerst wurde dieses künstlerische Mittel für äußere Effekte verwendet. Später wirkt es nicht mehr isolierend, sondern schafft jene Raumintimität, die den Gemälden der vierziger Jahre eigen ist. In dieser zweiten Periode wird alles stiller, weicher. Die Figuren stellen ihre Gefühle nicht mehr mit großen Gesten zur Schau, sie ordnen sich in klaren, vielfach symmetrischen Kompositionen. Die Gesichter der Dargestellten scheinen verschlossen. Die Gebärden sind sparsam geworden. Eine bedeutende Vertiefung der Kunst Rembrandts ist festzustellen.

Der Künstler hatte einen ausgesprochenen Sinn für das Wirkliche; er verkörperte in seinen Gemälden Probleme und Gefühle seiner Zeit, demokratische Traditionen des holländischen Bürgertums. Von den Porträts abgesehen, wählt Rembrandt in dieser Zeit seine Motive mit Vorliebe aus der Bibel. Aber in der Verkleidung biblischer Figuren tauchen oftmals Menschen aus Rembrandts Umgebung auf. In einem der schönsten Gemälde der zweiten Periode, „Die Heilige Familie"'(1645), sind Maria, Christus und Josef die Helden der evangelischen Legende, als gewöhnliche, einfache Menschen mit ihren Gefühlen und ihren Sorgen dargestellt. Die Ausstattung ist äußerst schlicht, das ist eine Hütte eines armen Zimmermanns, der mit seinem Handwerk beschäftigt ist. Demokratismus und Herzlichkeit werden jetzt zu den kennzeichnenden Zügen der Kunst von Rembrandt.

In den Bildern der letzten Periode ist die innere Dramatik aufs höchste gesteigert. Rembrandts Kunst ist jetzt ganz verinnerlicht, und nur dieser Verinnerlichung dient die Skala der Farben seiner Werke. Das Licht in seinen Bildern fällt nicht mehr von außen auf die Dinge, sondern scheint den Körpern innezuwohnen. Ein geheimnisvolles inneres Leuchten hilft nicht äußere Vorgänge, sondern Seelenzustande und Stimmungen schildern. Sehr oft erscheinen in seinen Gemälden nur zwei Personen. Der Künstler wählt wiederholt die Darstellungsform des großen Monologes. Dabei verschwindet alles Beiwerk, das vom inneren Geschehen ablenken könnte, einzig die Menschen werden gezeigt.

Tragik und innerer Zwiespalt sind Themen, die Rembrandt immer wieder erschütternd ausdrückt, so in den Haman-Bildern (1660) und in dem Gemälde „Rückkehr des verlorenen-Sohnes"; Wer je ein Werk wie den „Verlorenen Sohn" in der Leningrader Ermitage sah, kann dieses nicht aus der Erinnerung verlieren. Kaum eines seiner Werke ist so erfüllt von humanen Inhalten. Kaum eines ist monumentaler in der Form, so prächtig gemalt und dabei so durchseelt - ganz schlichte Menschlichkeit! - An der Komposition dieses Bildes kann man Rembrandts komplizierte Malweise studieren. Die Farben sind hier Stimmungsträger.

Das gleiche Streben nach immer stärkerer Verinnerlichung findet man auch in der Porträtmalerei der letzten Periode. Rembrandt macht vor allem das innerliche Wesen der Dargestellten sichtbar. So stellt das schöne Bildnis der Hendrickje Stoffels (um 1658) die schlichte Güte einer Frau aus dem Volke mit sparsamen künstlerischen Mitteln überzeugend dar. Zahlreiche Typen von Greisen auf den Bildern Rembrandts beeindrucken durch die Widerspiegelung komplizierter seelischer Vorgänge.

Die Selbstbildnisse der Spätzeit tragen einen subjektiven Charakter, zeugen von Selbsterforschung und Selbsterkenntnis, wie das „Kölner Selbstbildnis" (um 1668), auf dem sich Rembrandt schonungslos bescheinigt, dass er alt, verbraucht und etwas wunderlich ist.

In seinen Gemälden ebenso wie in Radierungen und Zeichnungen ist Rembrandt der Meister des Hell-Dunkel. In Porträts wie in szenischen Darstellungen ist das Hell-Dunkel Träger des Wesenhaften, es ist nicht zu trennen vom menschlichen Gehalt der Kunst Rembrandts. „Licht, Schatten und Haltung sind bei ihm das Ideelle", sagte Goethe. Und dieses „Ideelle" unterscheidet das Rembrandtsche Hell-Dunkel von dem seiner Zeitgenossen, unter denen es nicht wenige talentvolle Meister gab.

Das 19. Jahrhundert, die Blütezeit des Realismus in Europa, entdeckte die Bedeutung der Rembrandtschen Kunst wieder. In ihm verehren wir einen genialen Meister, einen großen Menschen und einen der bedeutendsten Realisten in der Kunstgeschichte der Welt.