Kultur – was ist das? Zunächst einmal all das, was nicht Natur ist. Kultur wird als Gesamtheit dessen gesehen, was Menschen hervorbringen und hervorgebracht haben. Das können individuelle und gemeinschaftliche, praktische und theoretische, mythische und religiöse sowie ästhetische Äußerungen sein. Kultur kann verändert und gestaltet werden. Sie ist geprägt durch die Geschichte und das historische Erbe einer Gesellschaft. Kultur beeinflusst die Menschen, ihr Handeln und ihre Institutionen durch Symbole, Werte und soziale Standards. Menschen versprechen sich von der Zugehörigkeit zu einer Kultur Geborgenheit, Lebensqualität und Sinnorientierung. Kunst und Kultur sowie die Teilnahme am kulturellen Betrieb nähren Vorstellungen davon, wie ein gutes und gelingendes Leben aussehen kann. Das Leben erscheint dabei als Material, die Kunst als Gestaltungswerkzeug. Denn die Künste bieten viele Möglichkeiten, um menschliche Lebenssituationen und Empfindungen verarbeiten zu können. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den Menschen Gelegenheit zu geben, ihre eigenen kulturellen Interessen und Fähigkeiten zu entwickeln und ihnen zu folgen. Gleichzeitig muss man sie am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilnehmen lassen.
Kunst und Kultur haben heute wie in allen Epochen zuvor entscheidenden Anteil an der Veränderung der Gesellschaft. Die Entwicklung von Kunst und Kultur steht in enger Wechselwirkung mit technischen Entwicklungen (z.B. dem Computer) und Verbreitungsformen (z.B. dem Internet). Kulturproduzenten aus Vergangenheit und Gegenwart, also bildende Künstler, Musiker, Schauspieler, Schriftsteller und ihre Werke, sind gefragter denn je, denn die Menschen verfügen heute über vergleichsweise viel Freizeit. Dies begünstigt ein gesteigertes Interesse an Kultur. Es sind Künstler, die viele Inhalte für die weltweiten Medienangebote liefern. Und durch ihr Forschen und Arbeiten entwickeln sie auch die Ästhetik der Neuen Medien weiter. In der Kultur findet ein ständiges Nachdenken der Gesellschaft über ihre Werte und Normen statt. Deswegen ist es nicht nur für die Individuen, sondern auch für die Entwicklung der Gesellschaft wichtig, dass möglichst viele Menschen in kulturelle Belange mit einbezogen werden.
Der Satz, dass Kunst schön ist, aber viel Arbeit macht, stammt von dem berühmten Münchner Komiker und Kabarettisten Karl Valentin (1882–1948). Doch das Berufsfeld Kultur ist groß. Mehr als eine Million Menschen sind in Deutschland im Kultur- und Medienbereich tätig, und es gibt viele verschiedene Arbeitsfelder, in denen sie ihr Geld verdienen. Um die kulturellen Berufe besser überblicken zu können, ist es sinnvoll, sie in vier Bereiche einzuteilen: die künstlerischen Berufe, die handwerklichen und technischen Berufe, die Berufe im Bereich Kulturvermittlung und -management sowie die Berufe in der Wissenschaft. Denkt man über einen Broterwerb im Bereich Kunst und Kultur nach, fällt einem als erstes der Beruf des Künstlers ein. Das ist auch richtig, denn Künstler sind der Ausgangspunkt jeglicher Kunst: die bildenden Künstler – wie Maler oder Bilderhauer; alle Arten von Musikern – wie Pop-, Rock- oder Orchestermusiker; aber auch Schauspieler, Regisseure und Tänzer, Schriftsteller und Filmemacher.
Wie aber wird man Künstler? Ein gewisses Talent in der jeweiligen Disziplin ist vonnöten, aber ebenso wichtig ist eine gute Ausbildung. Für den klassisch künstlerischen Bereich ist in Deutschland ein Studium an einer einschlägigen Kunsthochschule typisch. Es gibt zahlreiche Kunsthochschulen mit unterschiedlichen Profilen und Qualitäten. Wer sich für ein künstlerisches Studium interessiert, sollte vorher ganz genau schauen, welche Ausbildungsstätte zu ihm passt. Das Arbeitsfeld Kulturmanagement gibt es in Deutschland noch nicht lange. Man sollte sich von dem Begriff nicht irritieren lassen: Es geht nicht darum, die Kultur im wirtschaftlichen Sinne zu optimieren und damit viel Geld zu verdienen. Vielmehr ist es die Aufgabe von Kulturmanagern, Kunst und Kultur überhaupt zu ermöglichen und zwischen Kunst und Publikum zu vermitteln, zum Beispiel mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit.
Kunst- und Kulturangebote in Deutschland sind für alle da – jeder hat die Möglichkeit, in ein Theater oder ein Konzert zu gehen, ein Museum zu besuchen oder ein Buch aus der Bibliothek auszuleihen. Dennoch nutzt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung diese Angebote. Gerade acht Prozent der Deutschen gehören zu den sogenannten Stammnutzern von öffentlichen Kulturangeboten, und nur 19 Prozent haben sich selbst schon einmal künstlerisch-kreativ beschäftigt. Woran liegt das eigentlich? Einige sind der Meinung, dass sie zu dumm für Kunst und Kultur seien und wagen sich nicht an die Künste heran. Andere sagen, es interessiere sie nicht, weil es nichts mit ihrem Leben zu tun habe. Wieder andere meinen, dass die Beschäftigung mit Kunst oder Kultur viel zu anstrengend sei. Tatsächlich ist letzteres nicht ganz von der Hand zu weisen; sofern man es als Anstrengung ansieht, aktiv zu sein – aktiv mit dem Verstand, mit dem Gefühl oder mit beiden zusammen.
Was Kunst mit einem Menschen machen kann, ist unglaublich vielfältig: Kunst berührt, verstört, bringt einen zum Lachen, manchmal zum Weinen, ist spannend oder auch gähnend langweilig, macht nachdenklich, macht Spaß, erzählt Geschichten, verschließt sich, informiert, ist schön und manchmal auch sehr hässlich. Kurz: Kunst hat alles, was die „richtige“ Welt auch hat. Aber Kunst gibt einem auch die Möglichkeit, mit ganz anderen Augen auf diese Welt zu schauen, und das ist eine tolle Erfahrung. Richtig ist, dass man diese Erfahrung nicht einfach so machen kann. Genau, wie man ohne Anleitung niemals laufen oder sprechen lernen würde, ist es oft nicht einfach, einen Zugang zur Kunst zu finden. Deshalb ist es wichtig, dass Kunst vermittelt wird. Gerade zeitgenössische Kunst zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine Formensprache erfindet, die ihrer Zeit voraus ist und die nicht den gängigen Ausdrucksformen entspricht. Damit stößt sie zwangsläufig auf Unverständnis. Doch nicht nur der Sinn moderner Kunst bleibt einem oft verborgen, auch historische Werke brauchen Übersetzungshilfen, damit sie uns heute noch etwas sagen. So ist z. B. Shakespeares „Romeo und Julia“ im Grunde genommen nichts anderes als die traurige Liebesgeschichte zweier Jugendlicher, deren Eltern etwas gegen ihre Beziehung haben – ein Problem, das auch heute noch genügend Jugendliche kennen. Damit Menschen sich für Kunst interessieren, damit sie sich eigene Urteile zutrauen und offen für die Anregungen sind, die Kunst bieten kann, müssen sie zu aktiven, geistig tätigen Kulturnutzern werden, sich im besten Fall also selbst künstlerisch betätigen. Inzwischen haben fast alle öffentlichen Kulturinstitutionen Angebote speziell für Jugendliche ausgearbeitet. Die städtische Jugendpflege bietet regelmäßig kulturelle Programme an. Auch die meisten Schulen haben ähnliche Angebote, z.B. eine Theatergruppe.
TEXT 4
Terror und Rechtsstaat
„Terrorismus“ ist die Geißel unserer Zeit. Seine Ursachen sind so vielfältig wie seine Organisationsformen und Strategien. Er gründet auf dem anwachsenden Fanatismus nationalistischer, religiöser oder ideologischer Prägung. Zur Bedrohung wird er durch die extreme Bereitschaft der Terroristen zur Gewalt, zur Selbstopferung und durch ihren Zugang zu potentiell gefährlichen Instrumenten und Waffen, von Flugzeugen bis hin zu atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen. Die Netzwerke des internationalen Terrorismus umspannen die Welt; er nutzt die neuen Kommunikations- und die modernsten Waffentechnologien, stützt sich auf sie duldende oder sympathisierende Regime, agiert in der Wirtschafts- und Finanzwelt und infiltriert politische, gesellschaftliche und religiöse Organisationen.
Eine weltweit akzeptierte Definition von Terrorismus gibt es nicht, folgende Kennzeichen sind jedoch feststellbar:
Internationaler Terrorismus
- verfolgt politische, ökonomische, moralische oder religiöse Ziele;
- ist bereit zur Androhung und Anwendung von Gewalt, meistens gegen Regierungen;
- nutzt viele verschiedene Aktionsformen, von Einzelanschlägen bis hin zum Guerillakrieg, vermeidet aber die offene Konfrontation, z.B. einen direkten Krieg;
- hat eine weltweite Vernetzung von Kaderzellen, Kleingruppen und „Schläfern“ geschaffen und geht mit dem organisierten Verbrechen Verbindungen ein;
- infiltriert zunehmend politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und religiöse Organisationen;
- nutzt die neuen Technologien für „Infowar“, „Cyberwar“ und „Cyberterrorismus“ und kann damit in der hochgradig computerabhängigen zivilen und militärischen Infrastruktur ähnlichen Schaden anrichten wie traditionelle Angriffe;
- wird durch Einzelne, Gruppen oder Staaten ausgeübt.
Formen und Ziele
Rechts-, Links-, Ökoterroristen oder religiöse Fundamentalisten verfolgen meist relativ enge Zielsetzungen, können aber häufig nicht auf breite Unterstützung im Volk rechnen. Die Zentren des Terrorismus liegen nicht in den hochentwickelten
Staaten, sondern an den Rändern der kapitalistischen Welt. Sie bilden kleine, verschworene Gruppen, internationalisieren sich jedoch zunehmend. Sie internationalisieren auch ihr Aktionsfeld und damit ihre Opfer.
Ursachen
Die vielschichtigen (politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und geistig-religiösen) Ursachen lassen sich häufig nicht klar voneinander trennen. Vor allem die Weltmacht USA gilt als Hauptzielscheibe, aber Terrorismus ist auch in Europa und anderen Regionen verbreitet. In der Ursachendebatte sind zwei gegensätzliche Einschätzungen erkennbar:
Meinung A: Terrorismus ist die Folge weltweiter Ungerechtigkeit, militärischer Unterdrückung, Armut und der allgegenwärtigen Dominanz der Wirtschaftsform des Kapitalismus (Stichwort Globalisierung). Religiöser Fundamentalismus richtet sich gegen die „Diktatur westlicher Kultur und Werte“. Terrorismus ist somit die „Gegenwehr der Schwachen", eine „Verzweiflungstat gegen westliche Vorherrschaft“.
Meinung B: Terroristische Gewalttaten, gleich welchen Ursprungs, sind durch keine ökonomische, politische oder kulturelle Unterdrückung zu rechtfertigen und auch durch keinen religiösen Glauben dieser Welt. Zivilisierte Gesellschaften müssen sich vehement wehren.
Verwundbarkeit der Demokratie und Terrorismusbekämpfung
Demokratien gelten als extrem verwundbar. Während es in totalitären Systemen keinen oder wenig Terrorismus gibt, bieten die offenen Demokratien mit ihren durchlässigen Landesgrenzen, ihrer Mobilität und Bewegungsfreiheit und ihrem weitgehend freien Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Personen ein ideales Zielfeld für Terroranschläge. Gleichzeitig ist in der Demokratie die Durchsetzung schärferer Schutz- und Antiterrormaßnahmen („Polizeistaatlichkeit") heftig umstritten und schwierig. In Deutschland hat eine intensive Anti-Terror-Debatte eingesetzt. Die Überlegungen richten sich zum einen auf Präventivmaßnahmen, zum anderen auf repressive Maßnahmen. Der zusätzliche Finanzbedarf beträgt mindestens zwei Mrd. Euro.
Beispiele für Präventivmaßnahmen:
- Diplomatische Bemühungen; Öffentlichkeitsarbeit; Politik der Nichterpressbarkeit;
- Verbot extremistischer Religionsgemeinschaften wird möglich;
- Ausbau und bessere internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste; Infiltration von terroristischen Gruppen;
- Drastische Verbesserung der Flugsicherheit;
- Visa mit Fingerabdrücken;
- Maßnahmen der inneren Sicherheit; Ausbildung der Sicherheitsbehörden; Überwachungen; Lauschangriffe;
Terrorismus der Zukunft
Der militante, religiöse, ökologische, sektiererische oder national motivierte Terrorismus wird sich verstärken. Das weltweite Netz relativ kleiner Terrorgruppen, Kader und „Schläfer" wird vermutlich ausgebaut. Je entschiedener sich die demokratischen Systeme zur Wehr setzen, desto enger werden die Terrorgruppen in ihrem Fanatismus zusammengeschweißt. In ihrer Abschottung sind sie schwer zu bekämpfen, zu lokalisieren und zu infiltrieren. Die Verbreitung von gefährlichen Stoffen und Waffen erleichtert große Terroraktionen (Massenvernichtungswaffen, Atomsprengköpfe, biologische, chemische Kampfstoffe). Die weltweite technologische Vernetzung der Computersysteme erhöht die Schlagkraft von Terroristen erheblich (Kommunikation zwischen Kadern, Cyberterrorismus). Der Terrorismus wird auch in Zukunft immer neue Grenzüberschreitungen versuchen. Nach den Ereignissen vom 11.9.2001 nehmen die Warnungen vor weiteren Großanschlägen zu. Als besonders gefährdet können Atomkraftwerke gelten, aber auch Staudämme, Großgebäude, Sportarenen und auch Einzelpersonen (Milzbranderreger).